Künstler:in
Jan (Johannes, Hans) Apengeter (Werkstatt)
(* vor 1300 vermutl. Halberstadt, † nach 1351)
Titel
Rathaus, Türzieher – Kopien
Datierung
um 1350
Technik
Bronze, Nachgüsse nach dem Original im Museumsquartier St. Annen
Beschreibung

Die beiden Türflügel des Lübecker Rathausportals waren ursprünglich mit zwei großen Bronzebeschlägen aus der Mitte des 14. Jahrhunderts versehen, die als Türzieher dienten. Einer davon ist nicht erhalten geblieben, der andere befindet sich im Lübecker St.-Annen-Museum. Von ihm wurden zwei Kopien angefertigt, die heutzutage die Türflügel des Portals schmücken.

 

Der fein ausgearbeitete Gitterguss wird der Werkstatt des Jan Apengeter zugeschrieben. Die Komposition gliedert sich in ein großes, zentrales Medaillon und sieben umgebende, kleinere Rundfelder, jeweils durch Weinranken miteinander verbunden. Das zentrale Medaillon zeigt den thronenden römisch-deutschen König mit Krone, Reichsapfel und Zepter, um ihn gruppieren sich in den äußeren Feldern die Darstellungen der sieben Kurfürsten, die das Recht zur Wahl des Herrschers hatten. Unten mittig ist ein Ringhalter in Gestalt eines Hundes mit nach hinten gewandtem Kopf angebracht, an ihm befand sich ursprünglich ein Ring, der als der eigentliche Türzieher fungierte. Von diesem Ringhalter ausgehend sind im Uhrzeigersinn die sieben Kurfürsten folgendermaßen zu identifizieren: die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier, der König von Böhmen, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg. Gekennzeichnet sind die drei geistlichen Kurfürsten durch den Krummstab, den sie in ihrer Linken halten, die vier weltlichen Kurfürsten weisen sich dagegen durch das Schwert in der Rechten und ihren Wappenschild in der Linken aus. Der Herrscher in ihrer Mitte ist entweder als Ludwig der Bayer anzusprechen, der 1314 zum römisch-deutschen König gewählt worden war und von 1328-47 als Kaiser regierte, oder der 1347 zum König ernannte Karl IV., welcher die Kaiserwürde 1355 erlangte.

 

Die Motivik dieser historisch bedeutsamen Bronzearbeit verdeutlicht die direkte Verbindung der Stadt Lübeck zum Heiligen Römischen Reich. Seit der Stadt im Jahre 1226 die Reichsfreiheit verliehen worden war, unterstand sie unmittelbar dem römisch-deutschen König bzw. Kaiser und war damit keiner anderen Obrigkeit verpflichtet.

Biografie

Der „Apengeter“ (auch Apengheter, Apengieter, Apengießer) ist eine Berufsbezeichnung, die auch unter Rotgießer oder Gelbgießer bekannt ist. Die Handwerker dieses Gewerbes arbeiteten mit Metalllegierungen – als Rotgießer schufen sie aus den Hauptbestandteilen Kupfer und Zinn Bronze und gossen daraus Leuchter, Statuen, Grabplatten, Taufbecken u.ä., als Gelbgießer verwendeten sie (gelbe) Kupfer-Zink-Legierungen und verarbeiteten das daraus entstehende Messing zu Gebrauchs- und Dekorationsgegenständen. Im 14. und 15. Jahrhundert trug eine Gruppe von wandernden Gießern, welche im niedersächsischen Raum und angrenzenden Gebieten tätig waren, diese Berufsbezeichnung als Nachname.

Jan (auch Hans oder Johannes) Apengeter, der auch als von Sassenland bekannt ist, wurde vor 1300 vermutlich in Halberstadt geboren. Das erste von ihm signierte Werk ist ein großer siebenarmiger Leuchter in der Marienkirche in Kolberg. Zwischen 1332 und 1344 ist er in Lübeck nachweisbar, wo er ein Grundstück mit einer „fabrica“ (= Gießhütte) an der Breiten Straße besaß und mehrere Grundstücksgeschäfte tätigte. Hauptwerke seiner Lübecker Zeit sind das Taufbecken in der Lübecker Marienkirche und das der Marienkirche in Wismar, zudem wird ihm das Bronzegrabmal des Bischofs Heinrichs II. von Bocholt im Lübecker Dom zugeschrieben. 1344 schuf er das Taufbecken der Nicolaikirche in Kiel. Jan Apengeter wanderte danach offenbar weiter nach Göttingen (Glocke für die Johanniskirche 1348) und Hildesheim (Glocke für den Dom 1350). 1351 wird er letztmalig in Hildesheim namentlich erwähnt.

Kategorie
Bauplastik/-skulptur
Standort
Breite Straße 64, Hauptportal
Literatur
Hugo Rahtgens, Friedrich Bruns, Die Bau- und Kunstdenkmäler der Hansestadt Lübeck. Bd. 1, Teil 2: Rathaus und öffentliche Gebäude der Stadt, hrsg. vom Amt für Denkmalpflege der Hansestadt Lübeck, Lübeck 1974.

Anton Legner (Hrsg.), Die Parler und der schöne Stil 1350-1400, Kat. Ausst., Schnütgen-Museum Köln 1978, Bd. 2, Köln 1978.

Jürgen Wittstock, Kirchliche Kunst des Mittelalters und der Reformationszeit. Die Sammlung im St.-Annen-Museum, Museum für Kunst und Kulturgeschichte Lübeck, Bd. I, Lübeck 1981.

Stadt im Wandel. Kunst und Kultur des Bürgertums in Norddeutschland 1150-1650. Kat. Ausst., Landesausstellung Niedersachsen, Braunschweig, 24. Aug. - 24. Nov. 1985, Braunschweig 1985.

Peter W. Kallen, Skulptur am Bau in der Lübecker Altstadt, Lübeck 1990.

Hartmut Boockmann, Die Stadt im späten Mittelalter, 3. Aufl., München 1994.

Peter Wolf u.a. (Hrsg.), Ludwig der Bayer - Wir sind Kaiser!, Kat. Ausst. zur Bayerischen Landesausstellung 2014, Minoritenkirche, St. Ulrich am Dom und Domkreuzgang Regensburg (Veröffentlichungen zur bayerischen Geschichte und Kultur 63), Regensburg 2014.

Bilder