Künstler:in
Christian Daniel Rauch
(* 1777 Arolsen bei Kassel, † 1857 Dresden)
Titel
Wachender Löwe und Schlafender Löwe
Datierung
1823-24 (Modell), 1824/ 1826 (erster Guss)
Technik
Eisenguss, spätere Güsse nach den Modellen von 1823-24
Beschreibung

Wenige Schritte vom Holstentor entfernt bewachen zwei in Eisen gegossene Löwen den Eingang zur Stadt. Als sie 1949 nach der Wiederherstellung des Holstentorplatzes, der im Dritten Reich unter dem Namen „Adolf-Hitler-Platz“ nationalsozialistischen Aufmärschen und nach 1945 kurze Zeit als Kartoffelacker gedient hatte, an ihrem heutigen Ort endgültig Aufstellung fanden, hatten sie bereits eine bewegte Vergangenheit hinter sich.

 

Mitte des 19. Jahrhunderts hatte der Lübecker Kaufmann und Kunstsammler Konsul Johann Daniel Jakobj (1798-1847) die aus der Werkstatt des Berliner Bildhauers Christian Daniel Rauch stammenden Löwen erworben, um sie vor seinem 1825 neu erbauten Haus in der Großen Petersgrube 17/19 aufstellen zu lassen. Ab 1873 flankierten die beiden Löwen die Treppe zum Eingang des Hotel „Stadt Hamburg“ am Klingenberg und fanden hier mit einer Erwähnung in Thomas Manns Erzählung „Tonio Kröger“ (1903) Eingang in die Weltliteratur. „Da war das Hotel, und es waren die beiden schwarzen Löwen, die davor lagen und vor denen er sich als Kind gefürchtet hatte. Noch immer blickten sie mit einer Miene, als wollten sie niesen, einander an; aber sie schienen viel kleiner geworden seit damals.“ Anders als die berühmte Nobelherberge, die in der Nacht zu Palmsonntag im März 1942 den Bomben zum Opfer fiel, überstanden die Löwen den Zweiten Weltkrieg unversehrt und wurden bis 1949 im St. Annen-Museum verwahrt.

 

Die beiden Löwen, die von der Berliner und der Gleiwitzer Hütte mehrfach in Bronze oder Eisen gegossen wurden, waren ursprünglich nicht als Pendants konzipiert. 1824 hatte Rauch die in Zusammenarbeit mit seinem Werkstattgehilfen Theodor Kalide (1801-1863) entworfenen Modelle gemeinsam mit einem ersten Guss des Wachenden Löwen auf der Berliner Akademie-Ausstellung präsentiert. Während dieser in den Besitz Prinz Wilhelms von Preußen, Bruder König Friedrich Wilhelms III, überging, der ihn zu Ehren seiner Frau auf dem Mariannenfels in der Nähe seiner Residenz Schloss Fischbach im Riesengebirge anbringen ließ, war der Schlafende Löwe ursprünglich für das erst 1834 enthüllte Grabmonument für General Gerhard von Scharnhorst von Karl Friedrich Schinkel auf dem Berliner Invalidenfriedhof bestimmt.

Biografie

Christian Daniel Rauch war einer der bedeutendsten Bildhauer des deutschen Klassizismus. Er lernte bei dem Hofbildhauer Friedrich Valentin in Helsen, dann bei dem Hofbildhauer Johann Christian Ruhl in Kassel und besuchte dort auch die landgräfliche Akademie. Ab 1797 hatte er eine Anstellung als Kammerdiener am preußischen Hof inne und absolvierte daneben ein Abendstudium an der Königlichen Akademie in Berlin. 1803 war er als Gehilfe des Bildhauers Johann Gottfried Schadow tätig. Im folgenden Jahr wurde er aus königlichem Dienst entlassen und reiste als Stipendiat nach Rom. Bis 1811 lebte er in Italien, fand hier Aufnahme in den Künstler- und Gelehrtenkreis um Wilhelm von Humboldt in Rom und unterhielt freundschaftliche Kontakte u.a. zu Antonio Canova und Bertel Thorvaldsen. Unterbrochen von jeweils einjährigen Zwischenaufenthalten in Berlin, wo er durch die Ausführung höfischer Bildhaueraufträge den Grundstein für eine bedeutende künstlerische Karriere und angesehene gesellschaftliche Stellung legte, hielt sich Rauch auch von 1812 bis 1815 und von 1816 bis 1818 in Italien auf. 1819 bezog er ein Atelier in Berlin und wurde als ordentlicher Professor an die Akademie der Künste berufen. Die Jahrzehnte von 1820 bis 1850 waren geprägt durch eine Fülle von bedeutenden, zumeist höfischen Aufträgen, eine intensive Reisetätigkeit in Deutschland und Europa und Kontakte zu den bekanntesten Persönlichkeiten seiner Zeit. 1857 starb Christian Daniel Rauch in Dresden.

Stifter
Erworben durch den Lübecker Kaufmann und Kunstsammler Konsul Johann Daniel Jakobj
Kategorie
Freiplastik/-skulptur
Standort
Holstentorplatz, Grünanlage
Eigentümer
Hansestadt Lübeck
Literatur
Klaus Bernhard, Plastik in Lübeck. Dokumentation der Kunst im öffentlichen Raum (1436-1985) (Veröffentlichungen des Senates der Hansestadt Lübeck, Amt für Kultur, hrsg. von Hans-Gerd Kästner, Reihe B, Heft 8), Lübeck 1986.

Ethos und Pathos. Die Berliner Bildhauerschule 1786-1914, Kat. Ausst., Berlin, Skulpturengalerie der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz im Hamburger Bahnhof, 19. Mai - 29. Jul. 1990, 2 Bde., Berlin 1990.

Jutta von Simson, Christian Daniel Rauch. Oeuvre-Katalog (Bildhauer des 19. Jahrhunderts, hrsg. von Peter Bloch), Berlin 1996.

Carsten Hingst, Löwen in Lübeck, Lübeck 2004/2005.